Kapitalismus

Geldsklaven

Also wenn man mir im Internet auf mich zugeschnittene Werbung präsentiert, kann das ja sehr hilfreich sein. Manchmal kennt ein anderer einen einfach besser als man selbst. Das Problem ist nur: auch wenn ich die Sachen brauchen würde und sie gerne hätte, ich habe kein Geld. Und jetzt schickt mir bitte keine Werbung für Kredite.

Ich esse Löwenzahn, auf Partys trinke ich die Reste der Leute leer, die schon todesdicht oder weg sind, und Bahnfahren geht nur schwarz, im Sommer Fahrrad. Die Klamotten in meinem Kleiderschrank muss ich mir jede Saison neu schönreden und mit der GEZ pflege ich schon seit über einem Jahr eine intensive Brieffreundschaft. Vor allem darüber, dass ich kein Geld habe und dass ich meinen Fernseher verkaufen müsste, um die Beiträge zu zahlen. Meine Haare schneide ich mir selbst. Meinen Handyvertrag habe ich bei O2, und zwar bestimmt nicht, weil die so einen guten Service bieten. Fleisch gibt’s bei mir nur sporadisch. Und Bücher beziehe ich von Amazon gebraucht, weil ich mit meinem Geldmangel die großen Konzerne unfreiwillig stärken muss. Teile hiervon sind tatsächlich wahr!

Und jetzt mal im Ernst: sind Designer-Handtaschen wirklich Luxus, fancy Mode-Uhren aus Roségold oder hässliche Uggs aus Schäfchen?

Ich schlafe jeden Tag aus, esse wann ich will, gehe raus, wann ich will, und trockne mir die Haare an der Sonne. Ich lege mich an die Spree bei schönem Wetter, lese, schreibe, tanze, wann ich will. Während andere dem Geld hinterher laufen, läuft ihnen die Zeit davon, und ich laufe mit ihr. Sie denken, Geld verschafft ihnen Freiheit, dabei sind sie seine Sklaven. Mein Luxus sind Gesundheit und Selbstachtung. Sie brauchen Urlaub von ihrem Leben. Mein Leben hingegen fühlt sich wie Urlaub an.